Der vergiftete Pfeil

Der vergiftete Pfeil

Der Wirklichkeit nachempfunden und versucht,

sich einen Reim drauf zu machen

von Helmut Ganswindt


Ein Bogenschütze, ein ganz neuer,

fing an mit Trainer und Betreuer,

ließ sich erklären Pfeil und Bogen,

wie er gehalten und gezogen,

wie man ankert, wie man zieht

und man mit den Muskeln spielt.

Er begann beim ersten Üben

schon den Bogensport zu lieben,

wie man mit Kraft und Eleganz,

zwar noch mit großer Toleranz,

aber doch mit sehr viel Spaß,

schoss Pfeil für Pfeil ins grüne Gras.


Und schon bald nach kurzer Zeit

traf er auch zu seiner Freud`

ab und zu einmal die Scheibe.

Da lachte selbst das Herz im Leibe

und war glücklich schon dabei,

traf er die Eins, die Zwei, die Drei.


Froh streichelte er sein Visier,

als er traf die erste Vier.

Doch dabei war es nicht geblieben.

Er traf die Fünf, die Sechs, die Sieben.

Ich hör` noch heute, wie er lacht,

als er traf die erste Acht.


Auf einmal war es dann gescheh`n,

da traf er mitten in die Zehn.

Mit diesem Schuss war es vollkommen,

was er sich alles vorgenommen,

was er im Innern stets gewollt:

Einmal zu treffen auch in das Gold.


Er war vor Glück ganz wie besoffen,

hat er doch diese Zehn getroffen.

Konnt` er sich jetzt doch auch vergleichen,

mit Meistern und was die erreichen.

Denn diese, das war einzuseh`n,

trafen auch nur in die Zehn.


Und alles freute sich und lachte,

derweil er Zukunftspläne machte:

Endlich vorbei die Zeit des Lernen;

jetzt auf die Jagd nach FITA-Sternen,

nach Meistertiteln und Pokalen,

nur noch in Lob und Ruhm sich aalen.

Doch der Ärmste übersah,

was dabei mit ihm geschah:

Der Pfeil, der in das Zentrum traf,

versetzte ihn in einen Schlaf,

in dem er träumt - ach wie schön:

Von nun an nur noch in die Zehn.


So griff er gierig hin zum Köcher,

sah im Gold schon viele Löcher,

vernahm schon innerlich ein Lob,

als er seinen Bogen hob,

wie gut er doch - mit einem Wort -

ein Meister schon im Bogensport.







Und wärend er dies alles träumte,

vor lauter Stolz schon überschäumte,

war der Bogen schon gespannt,

die Scheibe im Visier erkannt,

aus dem Klicker schnell gezogen,

der nächste Pfeil schon abgeflogen.


Doch dieser Pfeil traf voller Schmerz

mitten in sein frohes Herz.

>>Das kann doch wohl nicht möglich sein:

Keine Zehn? Nur eine Neun?!<<

Er schimpfte, fluchte, raste, tobte,

obwohl sein Trainer ihn noch lobte.


Anstatt wie früher sich zu freu`n,

wenn er mal traf im Gelb die Neun,

schoss er vor Wut und aufgebracht

den nächsten Pfeil nur in die Acht.

Und es brach die Welt entzwei,

schoss er zuletzt sogar vorbei.


Unbeherrscht fuhr er sodann

seine Nachbarschützen an,

verfluchte nun den Bogensport,

warf wutentbrannt den Bogen fort

und gab dem Trainer voller Zorn

die Schuld dafür, dass er verlor`n.


Diesem wurde darauf klar,

dass der Pfeil vergiftet war,

mit dem er traf zuerst die Mitte,

und er äußerte die Bitte,

dass sein Schützling erst begreife,

wie ein Schütze langsam reife.


Und er half ihm überwinden,

zu sich selbst zurückzufinden.

Als der Groll verklungen war,

begann der Schütze - nicht als Star,

den Bogen und den Sport zu lieben,

traf er zunächst auch nur die Sieben,

ruhig, gelassen und besonnen,

und hatte bald ganz ungezwungen

manchen Wettkampfsieg errungen.

Und wenn er mal verloren hat,

blieb er doch stets ein Kamerad.


Moral:

Mit seinem ersten Zehner meist,

triffst du zunächst nur deinen Geist.

Lass ihn von seinem Gift nicht trüben.

Ruhig und besonnen weiter üben!

Willst Ernst mit deinem Traum du machen,

dann musst du erst einmal erwachen.

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